Gedanken zum Ausstellungswesen

Allgemeines zu Ausstellungen

Hundeausstellungen sind eine der am häufigsten durchgeführten Veranstaltungen in der Rassehundeszene, die sich großer Beliebtheit erfreuen. Nicht nur aus der näheren Umgebung, sondern oftmals auch aus dem weiter entfernten Ausland reisen Menschen an, um ihren Hund auf einer bestimmten Ausstellung zu zeigen.
Es gibt Ausstellungen in verschiedenen Varianten. So gibt es nationale und internationale Ausstellungen, die sich durch die Vergabe von nationalen oder internationalen Titeln unterscheiden. Clubausstellungen sind eine weitere Varietät, sie werden meist im kleineren Rahmen von einem einzelnen Rasseverein durchgeführt. Auf einer Clubausstellung besteht (zumindest beim Dalmatiner) im Gegensatz zu den nationalen und internationalen Ausstellungen, auch die Möglichkeit einen Hund ohne Ahnentafel oder mit nach Standard zuchtausschließenden Merkmalen zu zeigen.

Die Hunde werden in verschiedene Klassen eingeteilt. Wie diese benannt werden und welche Hunde für die jeweilige Klasse angemeldet werden können, hängt von den verschiedenen Vereinen beziehungsweise Verbänden ab.
Im Ablauf einer Ausstellung werden jeweils alle Hunde einer Klasse, getrennt nach Geschlecht, in einen abgesteckten Bereich, dem sogenannten Ring, geführt. Sie sollen dann einige Runden im Kreis laufen und gegebenenfalls noch frontal auf den Richter zu sowie von diesem weg. Dies dient der Beurteilung des Gangwerks eines Hundes. Danach wird jeder Hund einzeln vor den Richtertisch gebeten und vom Besitzer in einer stehenden Position gehalten. Der Richter begutachtet den Hund genau und fasst seine Beurteilung zusammen mit einer Formwertnote in einem Bericht zusammen, den der Besitzer später mit nach Hause nimmt.

Die Formwertnoten sollen aussagen, inwieweit der vorgestellte Hund dem Idealbild der Rasse laut Rassestandard entspricht. Nur der bestplatzierte Hund kann eine sogenannte Anwartschaft auf einen Titel erhalten, der Zweitbeste kann jedoch eine Reserveanwartschaft erhalten. Wie viele Anwartschaften für die Zuerkennung eines Titels benötigt werden hängt wieder von den verschiedenen Rassevereinen ab.

Vorteile einer Ausstellung

Ausstellungen bringen zweifelsohne diverse Vorteile mit sich. Auf nationalen oder internationalen Ausstellungen, auf denen sehr viele Rassen gleichzeitig gezeigt werden, besteht zum Beispiel für Menschen, die die Anschaffung eines Hundes planen, die Möglichkeit sich mehrere in Frage kommende Rassen anzuschauen, sowie mit Züchtern und Besitzern von Hunden der Rassen zu sprechen. Einen Hund auf einem Foto oder in natura zu sehen ist ein großer Unterschied und auch die Gespräche sind wertvolle Entscheidungshilfen. Wer sich dagegen bereits für eine bestimmte Rasse entschieden hat, hat die Möglichkeit sich vor Ort viele Hunde der gleichen Rasse anzuschauen, die sich bereits im Zuchteinsatz befinden oder dafür geplant sind. Man bekommt somit einen kleinen Eindruck von der Diversität der einzelnen Hunde.

Für Züchter und Deckrüdenhalter bietet eine Ausstellung gleich mehrere Vorteile. Sie sehen Freunde und Bekannte, manchmal auch von weit entfernten Orten, wieder, die die gleiche Leidenschaft mit ihnen teilen. Sie können sich mit Rüdenhaltern und anderen Züchtern über Neuigkeiten in der Zucht austauschen und sich vor Ort ausführlich über potenzielle Zuchtpartner informieren. Zudem können Erfahrungen und Erlebnisse mit den Hunden ausgetauscht werden.
Letztlich, und das ist sicher ein ganz enormer Vorteil, sehen Züchter und Deckrüdenbesitzer auch häufig einen Teil ihrer eigenen Nachzuchten wieder und bekommen so einen guten Überblick über ihre Zuchtergebnisse. Die Beurteilung der eigen Nachzucht ist wichtig, um Probleme zu erkennen und entsprechend weiter planen zu können. Dies ist aber selbstverständlich auch unter anderen Umständen möglich, wie zum Beispiel im Rahmen eines „Welpentreffs“.

Auch für den Hund kann eine Ausstellung von Vorteil sein. Er lernt mit Trubel und Stress umzugehen, denn mit vielen anderen Hunden auf engem Raum zu sein ist eine Herausforderung. In unserer immer turbulenter werdenden Gesellschaft kommen Hund und Halter einfacher durch das Leben, wenn der Hund auch in stressigen, für ihn unter Umständen sehr unangenehmen, Situationen ruhig und gelassen bleibt. Auch aus züchterischer Sicht sind Hunde, die trotz der vielen Ablenkungen und Eindrücke „cool“ und ansprechbar bleiben, sehr wertvoll und erstrebenswert.

Kritische Betrachtung des aktuellen Ausstellungswesens

Ausstellungen sind ein fester Bestandteil der modernen Hundezucht und eine der häufigsten Veranstaltungen von Rassevereinen. Ausstellungen beeinflussen die Zucht weitreichend, positiv wie auch negativ.

Von den einstigen Zuchtschauen, die zur Ermittlung der besten Zuchthunde in Bezug auf Leistungsfähigkeit dienten, sind nach und nach die Ausstellungen geworden, in deren Fokus fast ausschließlich nur noch die Optik steht.
Diese Wandlung lässt sich sicherlich damit erklären, dass sich die „Funktion“ unserer Haushunde mit der Zeit ebenfalls stark geändert hat. Wurden Hunde früher hauptsächlich gehalten um eine Aufgabe zu erfüllen, wie zum Beispiel als Wachhund, Jagdhund oder Herdenschutzhund, so besteht heute die Aufgabe der meisten Hunde darin ein vorzeigbarer und alltagstauglicher Begleiter zu sein.

Auf den heutigen Hundeausstellungen nimmt die vermeintliche Schönheit einen sehr hohen Stellenwert ein und wie so oft passt hier der Spruch „Schönheit liegt im Auge des Betrachters“. Was für eine Rasse als schön und erstrebenswert gilt ist im entsprechenden Rassestandard festgelegt. Hierin kann nachgelesen werden, wie ein Hund einer bestimmten Rasse im Idealfall aussehen soll.
Während der Ausstellung werden die gemeldeten Hunde von einem Zuchtrichter dahingehend beurteilt und bewertet inwieweit sie dem Rassestandard entsprechen. Allerdings gibt es für das Vorgehen kein einheitliches System und der Rassestandard dient mehr oder weniger nur als Grundgerüst für die Bewertung. Hinzu kommt noch der menschliche Faktor. Jeder Richter hat, genau wie jeder Züchter, sein persönliches Idealbild oder auch Wunschbild der Rasse vor Augen und legt den Standard dahingehend entsprechend aus. Eine absolut objektive Beurteilung ist daher kaum möglich.
Einige Aussteller machen sich dies zunutze und melden ihre Hunde ausschließlich für Ausstellungen bei bestimmten Richtern an, von denen sie wissen, dass die Hunde dort deutlich besser bewertet werden als bei jemand anderem.

Zum Erreichen von besseren Bewertungen werden aber auch noch andere Methoden angewendet. Nicht nur der Hund an sich wird auf einer Ausstellung bewertet, sondern sogar die Art und Weise wie er vorgeführt und präsentiert wird.
In einigen Berichten kann man Worte lesen wie „könnte mehr Ringtraining gebrauchen“ oder „vorzüglich präsentiert“. Um ihre Chancen zu erhöhen lassen manche Hundebesitzer ihre Hunde von sogenannten Doghandlern dem Richter vorführen. Doghandler sind professionelle Aussteller, die wissen, wie ein Hund optimal präsentiert und besser dargestellt werden kann als er möglicherweise ist, dies kann eine deutliche Verbesserung der Bewertung bedeuten.
In selteneren Fällen werden jedoch aber noch weitreichendere Maßnahmen getroffen. So kommt es vor, dass Hautprobleme überschminkt, unpigmentierte Stellen an der Nase tätowiert oder Zahnfehlstellungen tierärztlich korrigiert und verschwiegen werden.

Natürlich werden derartige Vorgehensweisen nicht von der Mehrheit praktiziert, dennoch ist es sehr bedenklich, dass solche Methoden überhaupt Anwendung finden. Dies wirft die Frage auf, warum so etwas gemacht wird.

Moderne Hundeausstellungen sind eine Art Wettbewerb. Jeder möchte sich mit seinem Hund gegen die anwesenden Konkurrenten durchsetzen und den besten Platz für sich beanspruchen. Das Gewinnstreben vieler Aussteller ist sehr hoch, denn in der Regel werden unter den den bestplatzierten Hunden sogenannte Anwartschaften vergeben. Hat ein Hund eine bestimmte Anzahl an Anwartschaften erhalten wird ihm ein Championtitel zuerkannt. Die Aussicht, einen begehrten Champion zuhause zu haben, ist für Viele sehr verlockend und verleitet in einigen Fällen womöglich dazu in die Trickkiste zu greifen um das Ziel zu erreichen.

Champions sind ein gutes Aushängeschild für eine Zuchtstätte und suggerieren den Welpeninteressenten eine besonders gute, hochwertige Zucht.
Häufig wird in Annoncen mit Welpen aus „Championverpaarung“ oder „Weltsiegerlinien“ geworben, was offenbar sehr werbewirksam ist, wenn man sich die Anzahl der Klicks auf ein solches Inserat anschaut.
Doch auch wenn es vielfach so scheint, ein Ausstellungschampion ist nicht zwangsläufig auch ein guter Zuchthund, genauso wenig wie Welpen aus Championeltern dazu geboren sind ebenfalls Champions zu werden. Dennoch gibt es Züchter, die eine reine „Championzucht“ betreiben, das heißt, sie verpaaren ausschließlich Championhündinnen mit Championrüden, Hunde ohne Titel kommen nicht in Frage.
Im Bezug auf Gesundheit und Wesen sind diese Hunde im Durchschnitt jedoch weder besser noch schlechter als ihre Artgenossen ohne Titel.

Während sich Titel auf den quantitativen Zuchteinsatz einer Hündin in der Regel nicht negativ auswirken, so ist der Fall bei Rüden oftmals anders gelagert. Nur wenige Zuchtvereine haben eine Begrenzung der Deckakte pro Rüde in ihren Statuten verfasst. In einem Großteil der Vereine dürfen Rüden beliebig oft in ihrem Leben decken. Deckrüden mit diversen Championtiteln sind häufig sehr gefragt und werden im In- und Ausland stark genutzt. Dadurch kann ein Rüde, nicht nur hunderte, sondern tausende Nachkommen haben, in einigen Extremfällen sogar Zehntausende. Im Laufe der Zeit können sich hieraus verschiedene Probleme ergeben.
Durch den häufigen Zuchteinsatz von ein paar wenigen Rüden wird die Rassepopulation mit der Zeit immer verwandter, das indirekte Inzuchtniveau steigt stetig und zu schnell an. Zudem werden die Defektgene des Rüden weit in der Rasse gestreut und können später, falls irgendwann Probleme auftreten, nur schwer wieder eliminiert werden.
Diese Problematik wird „Popular Sire Syndrom“, das „Populäre Deckrüden Syndrom“ genannt. Theoretisch könnte jeder Rüde ein Popular Sire werden, doch in der Regel tritt dieses Phänomen nur bei Champions auf.
Für die Zuerkennung von Championtiteln werden (zumindest beim Dalmatiner) keinerlei Untersuchungsergebnisse gefordert, lediglich auf das Gebiss wird geachtet. Ein Hund wird allein aufgrund seines Erscheinungsbildes ein Champion, die Gesundheit spielt dafür überhaupt keine Rolle und auch das Wesen bleibt nahezu unbeachtet. Doch bei dem weitreichenden Einfluss, den solche Hunde, wie bereits beschrieben, nehmen könnten, sollten doch die Punkte Gesundheit und Wesen in jedem Fall Eingang in einen Championatsantrag finden.

Ein weiterer, nicht unerheblicher Aspekt von Hundeausstellungen ist der persönliche Geschmack der Zuchtrichter. Selbstverständlich sind die meisten Richter bemüht die Hunde nach dem Idealbild des Rassestandards zu richten, doch nahezu immer fließt in die Bewertung auch der persönliche Geschmack mit ein. Jeder Richter hat sein Ideal- beziehungsweise Wunschbild der Rasse vor Augen und ist geneigt Hunde besser zu bewerten, die diesem Bild entsprechen. Dies kann weitreichende Auswirkungen haben. Etliche Züchter gestalten ihre Zuchtpläne danach, was für ein „Typ“ ihrer Rasse momentan gefragt ist. Die Entscheidung des Richters kann also mitverantwortlich dafür sein, in welche Richtung sich eine Rasse, oder zumindest ein Teil davon, entwickelt.
Dass sich das Erscheinungsbild einer Rasse immer wieder ändert ist praktisch unausweichlich und auch nicht unbedingt negativ, es kommt jedoch darauf an wie stark und vor allem in welche Richtung gehend sich das Bild ändert.

Menschen neigen dazu Extreme zu bevorzugen. Kommen Hunde mit besonders markanten und herausstechenden Merkmalen gut an und werden von Zuchtrichtern gut bewertet, so schafft dies Anreize jene Merkmale züchterisch noch weiter zu betonen, zu verbreiten und zu festigen. In einigen Fällen kommt es zu starken Übertypisierungen, die nicht selten negative gesundheitliche Folgen haben und/oder die Lebensqualität stark einschränken.
In diesem Zusammenhang kommt die Frage auf, was Zuchterfolg für einen Züchter bedeutet. Glaubt man den Leitsätzen vieler Zuchtvereine und Züchter, so hat die Zucht von gesunden und wesensfesten Hunden höchste Priorität. Tatsächlich gibt es Züchter, für die Zuchterfolg bedeutet, möglichst gesunde, wesensfeste, alltagstaugliche und/oder leistungsstarke und langlebige Hunde zu züchten beziehungsweise gezüchtet zu haben. Ein so angestrebter Zuchterfolg zeigt sich erst viele Jahre nach Beginn der Zucht. Es ist nichts, was kurzfristig erreicht werden kann. Für die Realisierung muss ein Züchter langfristig denken und planen und auftretende Probleme dürfen nicht beiseite geschoben oder gar ignoriert werden.
Bei einem Großteil der Züchter hat es jedoch den Anschein, dass ein Zuchterfolg nur darüber definiert wird, wie gut die Nachzuchten und eigenen Hunde auf Ausstellungen bewertet wurden und ob und wieviele Championtitel von Hunden der Zuchtstätte erlangt werden konnten. Der ganze Stolz des Züchters gilt augenscheinlich nur dem Ausstellungserfolg, über Untersuchungsergebnisse oder gar gesundheitliche Probleme der Nachzucht wird nur sehr selten ein Wort verloren.

Etliche Rassen haben sich mit der Zeit in Showhunde und Arbeitshunde aufgespalten. Beispiele für so eine Entwicklung sind zum Beispiel der Deutsche Schäferhund, der Australian Shepard oder der Labrador. Show- und Arbeitslinie unterscheiden sich häufig deutlich im Aussehen durch beispielsweise viel mehr Fell, mehr Masse oder andere Farben. Prinzipiell kann man sagen, dass Hunde, die in erster Linie für Ausstellungen und auf „Schönheit“ gezüchtet werden das extremere Erscheinungsbild aufweisen. Die Hunde der gleichen Rasse, die auf Leistung selektiert werden sind dagegen in der Regel weniger auffällig in ihrem Äußeren.

Hundezucht ist ein Bereich, in dem Züchter, Deckrüdenhalter und Welpenkäufer zusammenarbeiten sollten um ihre Rasse nachhaltig zu verbessern oder zu erhalten. Im heutigen Ausstellungswesen passiert zumeist jedoch das Gegenteil. Anstatt der Zusammenarbeit wird Missgunst und Neid geschürt und das Konkurrenzdenken gefördert. Jeder möchte der Erste sein, der zweite Platz wird häufig schon als Niederlage empfunden und Züchter A gönnt Züchter B die Platzierung nicht, alles wird vom eigenen Gewinnstreben bestimmt. Doch was hat das noch mit den Hunden zu tun? Unseren Hunden dürfte es wohl egal sein, ob sie sich „Internationaler Schönheitschampion“, „Best in Show“ oder „Best of Breed“ nennen können. Titel und Pokale machen unsere Hunde nicht glücklicher, besser, satter oder gesünder, es ist alles nur eine Show für deren Besitzer.